Marktlogik beginnt mit dem Preis

An den Finanzmärkten wird rund um die Uhr gehandelt – Milliarden von Transaktionen, ausgelöst durch Algorithmen, Nachrichten oder menschliche Intuition. Doch am Ende jeder Bewegung steht immer nur ein Wert: der aktuelle Preis eines Börsentitels. Für technische Analysten ist dieser Preis nicht nur das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sondern ein Schlüssel zum Verständnis des Marktverhaltens selbst.

Statt sich auf Geschäftsberichte oder volkswirtschaftliche Kennzahlen zu verlassen, blicken sie allein auf das, was im Markt wirklich passiert – auf Preisdaten, Volumen und Kursverläufe. Sie gehen davon aus, dass sich menschliches Verhalten in wiederkehrenden Mustern ausdrückt, die man erkennen, analysieren und interpretieren kann. Das macht die technische Analyse zu einem Werkzeug, das nicht nur für Profis relevant ist, sondern auch Einsteigern helfen kann, systematisch und nachvollziehbar an Entscheidungen heranzugehen. [1]

Aber wie genau entsteht dieser Preis – und wie kann man aus scheinbar zufälligen Kursbewegungen verlässliche Hinweise auf Trends gewinnen?

Die Mechanik der Preisbildung

Die Preisbildung an der Börse folgt einem marktwirtschaftlichen Auktionsprinzip, das im Kern sehr einfach ist, in seiner Umsetzung jedoch hochdynamisch und von vielen Einflüssen geprägt. Jedes Wertpapier – ob Aktie, ETF, Rohstoff oder Derivat – wird über ein Orderbuch gehandelt, das alle Kauf- und Verkaufsangebote auflistet. Käufer geben sogenannte Limit- oder Market-Orders ein, ebenso wie Verkäufer. Ein Handel kommt zustande, wenn sich ein Käufer findet, der bereit ist, zum Preis eines Verkäufers zu kaufen – oder umgekehrt. Die Transaktion erfolgt dann zu diesem gemeinsamen Preis, der als aktueller Marktpreis gilt. Dieser Preis wird kontinuierlich neu bestimmt, je nachdem wie sich Angebot und Nachfrage im Orderbuch verändern. Dabei ist zu beachten, dass externe Einflüsse wie Unternehmenszahlen, makroökonomische Daten, politische Ereignisse oder Notenbankentscheidungen in die Erwartungen der Marktteilnehmer einfließen und deren Kauf- und Verkaufsverhalten maßgeblich prägen. In der Summe ergibt sich ein komplexes Wechselspiel, das sich letztlich im Preis widerspiegelt. [2]

Preisdaten in der Technischen Analyse

In der technischen Analyse dreht sich alles um den Kursverlauf eines Wertpapiers. Anstatt auf Unternehmenszahlen oder Nachrichten zu schauen, konzentrieren sich technische Analysten auf historische Preisdaten – mit dem Ziel, daraus zukünftige Entwicklungen abzuleiten. Die Basis bilden dabei sogenannte OHLC-Werte (Open, High, Low, Close), die den Eröffnungs-, Höchst-, Tiefst- und Schlusskurs eines bestimmten Zeitintervalls darstellen. Diese kompakten Datenpunkte geben Aufschluss darüber, wie sich Käufer und Verkäufer im Markt verhalten haben – und helfen dabei, wichtige Muster und Bewegungen zu erkennen. [1]

Die Wahl des Zeitintervalls, über das die OHLC-Werte gebildet werden, ist dabei entscheidend: Während etwa tägliche OHLC-Werte für mittel- bis langfristige Analysen genutzt werden, bieten Minuten- oder Stundenintervalle wertvolle Hinweise für kurzfristige Strategien. Ein und derselbe Markt kann je nach gewähltem Intervall unterschiedliche Trends aufweisen – was für die Interpretation und Anwendung der technischen Analyse von großer Bedeutung ist.

Was ist ein Trend und warum achten alle darauf?

Ein Trend beschreibt die allgemeine Richtung, in die sich ein Kurs über einen bestimmten Zeitraum hinweg bewegt. Dabei unterscheidet man zwischen Aufwärtstrends (steigende Hoch- und Tiefpunkte), Abwärtstrends (fallende Hoch- und Tiefpunkte) und Seitwärtstrends, bei denen sich der Kurs in einer engen Spanne bewegt.

Trends sind ein zentrales Element der technischen Analyse, denn sie zeigen an, ob der Markt von Optimismus oder Pessimismus geprägt ist. Für viele Trader gilt: „The trend is your friend“ – denn wer im Einklang mit dem vorherrschenden Trend handelt, erhöht statistisch gesehen seine Erfolgschancen. Statt gegen den Strom zu schwimmen, nutzt man die bestehende Dynamik des Marktes für die eigene Strategie. [3]

Auch die Volumenanalyse kann Aufschluss über die Qualität eines Trends geben. Ein Trend, der von steigendem Handelsvolumen begleitet wird, gilt als besonders zuverlässig. Sinkendes Volumen während eines laufenden Trends kann hingegen ein Warnsignal sein und auf eine bevorstehende Umkehr oder Konsolidierung hindeuten.

Trenddarstellung mit Candlesticks

Trends werden meist mithilfe von Charts dargestellt. Besonders beliebt sind Candlestick-Charts, die aus den OHLC-Werten gebildet werden und einen besonders intuitiven Einblick in das Marktverhalten geben. Sie zeigen nicht nur, in welche Richtung sich ein Kurs bewegt hat, sondern auch, wie stark er innerhalb eines Zeitraums geschwankt ist. Ein einzelner Candlestick sagt bereits viel über das Kräfteverhältnis zwischen Käufern und Verkäufern aus. Mehrere Candlesticks in Folge lassen die Kursentwicklung wie eine Geschichte erscheinen – mit klaren Phasen von Aufbruch, Unsicherheit oder Umkehr.

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Wie interpretiert man einen Candlestick-Chart?

In Candlestick-Charts lassen sich aus dem Verhältnis von Kerzenkörper und Docht wertvolle Rückschlüsse auf das Verhalten der Marktteilnehmer ziehen. Der Körper einer Kerze entsteht durch die Differenz zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs. Ist der Schlusskurs höher, spricht man von einer steigenden Kerze – häufig grün oder weiß dargestellt. Ein fallender Kurs ergibt eine rote oder schwarze Kerze. Ein langer Körper signalisiert dabei eine klare Marktbewegung in eine Richtung: Entweder dominierten die Käufer (bei steigenden Kursen) oder die Verkäufer (bei fallenden Kursen). Kleine Körper, bei denen Eröffnung und Schlusskurs nahe beieinanderliegen, deuten dagegen auf Unsicherheit oder ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hin. [4]

Die Dochte – also die Linien ober- und unterhalb des Kerzenkörpers – zeigen, wie stark der Kurs innerhalb der gewählten Periode vom Eröffnungs- und Schlussstand abgewichen ist. Ein langer oberer Docht weist darauf hin, dass der Kurs zeitweise stark gestiegen ist, letztlich aber wieder nachgegeben hat – ein Hinweis auf nachlassende Kaufkraft. Umgekehrt zeigt ein langer unterer Docht, dass der Markt zunächst unter Druck geriet, aber von Käufern wieder gestützt wurde. Solche Kerzen, bei denen Körper und Docht in einem besonderen Verhältnis stehen, können auf bevorstehende Trendwechsel oder Umkehrpunkte hinweisen – vor allem dann, wenn sie nach einer langen Aufwärts- oder Abwärtsbewegung auftreten. [4]

Visuelle Klarheit mit Trendlinien

Doch die Darstellung einzelner Kursbalken oder Kerzen ist nur der erste Schritt. Um übergeordnete Trends noch klarer erkennbar zu machen, werden häufig Trendlinien verwendet. Eine Trendlinie wird in einem Aufwärtstrend beispielsweise unter aufeinanderfolgenden Tiefpunkten eingezeichnet und visualisiert so den stabilen Anstieg des Kurses. In einem Abwärtstrend verläuft die Linie über den fallenden Hochpunkten. Diese Linien helfen dabei, den Trendverlauf optisch zu vereinfachen, Unterstützungs- und Widerstandszonen zu identifizieren und mögliche Bruchpunkte frühzeitig zu erkennen.

Trenddarstellung mit gleitenden Durchschnitten

Eine weitere Methode zur Trenddarstellung sind gleitende Durchschnitte. Sie berechnen den Durchschnittskurs über einen bestimmten Zeitraum – etwa 20, 50 oder 200 Tage – und bilden daraus eine Linie, die in den Chart gelegt wird. Diese Linien glätten kurzfristige Schwankungen und machen dadurch den übergeordneten Trend deutlicher sichtbar.

Besonders verbreitet sind der Simple Moving Average (SMA), der alle Kurswerte gleich gewichtet, sowie der Exponential Moving Average (EMA), der jüngere Kurse stärker berücksichtigt und dadurch sensibler auf aktuelle Marktbewegungen reagiert. Steigt ein gleitender Durchschnitt kontinuierlich an, spricht das für einen Aufwärtstrend. Fällt er, kann von einem Abwärtstrend ausgegangen werden. Besonders aussagekräftig wird diese Methode, wenn mehrere gleitende Durchschnitte kombiniert werden – etwa ein kurzfristiger und ein langfristiger –, um sogenannte Kreuzungssignale zu erkennen.

Beispiel: Trendwende erkennen mit dem 50-Tage-EMA

Viele Plattformen wie gravitrade ermöglichen das einfache Einblenden von gleitenden Durchschnittswerten im Chartverlauf, siehe nachfolgendes Beispiel mit einem Close-Kursverlauf, den daraus berechneten 50-Tage-EMA und dem Handelsvolumen.

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Wenn der Kurs unter dem EMA verläuft und die EMA-Linie nach unten zeigt, spricht vieles für einen anhaltenden Abwärtstrend. In solchen Phasen sind weitere Kursverluste wahrscheinlicher. Beginnt der Kurs jedoch, die EMA-Linie zu überschreiten, und zeigt diese nicht mehr nach unten, sondern flacht ab oder dreht sogar leicht nach oben, kann das auf eine bevorstehende Richtungsänderung hindeuten. Sobald der Kurs oberhalb des EMA bleibt und die Linie ebenfalls steigt, ist das ein häufig genutztes Signal dafür, dass ein neuer Aufwärtstrend begonnen haben könnte.

Wer den Markt lesen lernt, erkennt bald: Trends sind mehr als nur visuelle Verläufe – sie bilden die Grundlage für viele Handelsentscheidungen. Die in diesem Beitrag vorgestellten Mittel zur Trenderkennung, wie Trendlinien oder gleitende Durchschnitte, sind nicht nur Werkzeuge zur Orientierung, sondern auch die Basis für viele technische Indikatoren. Diese Indikatoren greifen auf das Verhalten von Trends zurück, um daraus konkrete Kauf- oder Verkaufssignale zu generieren oder bestehende Tendenzen zu bestätigen. Bekannte Beispiele sind etwa der MACD (Moving Average Convergence Divergence), der RSI (Relative Strength Index) oder Bollinger Bänder – sie alle arbeiten mit Elementen wie Trendstärke, -richtung oder -dynamik.

Solche Signale helfen Tradern, Entscheidungen systematisch zu treffen, anstatt sich nur vom Bauchgefühl oder von kurzfristigen Marktnachrichten leiten zu lassen. Gleichzeitig ist es wichtig zu verstehen, dass kein Indikator allein verlässliche Vorhersagen trifft – sie liefern Hinweise, aber keine Garantien. Deshalb lohnt es sich, verschiedene Ansätze zu kombinieren und kritisch zu hinterfragen, ob ein Signal wirklich zur aktuellen Marktsituation passt.

Fazit

Die Beschäftigung mit Trends ist mehr als ein theoretisches Konzept – sie ist ein grundlegender Baustein technischer Analyse und ein Schlüssel, um die Sprache der Märkte zu verstehen. Wer lernt, Trends zu erkennen und zu deuten, verschafft sich einen strukturierten Blick auf das Marktgeschehen. Werkzeuge wie Candlestick-Charts, Trendlinien oder gleitende Durchschnitte helfen dabei, diese Bewegungen sichtbar und nachvollziehbar zu machen.

Doch damit endet die Reise nicht. Aufbauend auf diesen Grundlagen nutzen viele Trader technische Indikatoren, um präzisere Handelsentscheidungen zu treffen – sei es zur Bestätigung eines bestehenden Trends oder zur Identifikation möglicher Wendepunkte. Diese Mechanismen erzeugen Handelssignale, die – richtig eingesetzt – dabei helfen können, systematisch statt impulsiv zu agieren.

Gerade für Börseneinsteiger gilt: Der Schritt von der Analyse zur echten Position sollte mit Bedacht erfolgen. Papertrading bietet die Möglichkeit, Theorien in der Praxis zu testen – ohne Risiko, aber mit echtem Lerneffekt. So entsteht nicht nur Vertrauen in die eigene Strategie, sondern auch in das eigene Handeln.

Am Ende bleibt: Der Markt ist dynamisch, aber nicht chaotisch – wer sich mit Trends, Signalen und Strategien vertraut macht, kann sich mit mehr Klarheit und Struktur darin bewegen. Und genau dort beginnt die Grundlage für nachhaltigen Börsenerfolg.

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References

  • [1] J. J. Murphy, Technische Analyse der Finanzmärkte, FinanzBuch Verlag, 2006.
  • [2] L. Harris, Trading and Exchanges: Market Microstructure for Practitioners, Oxford University Press, 2002.
  • [3] M. Covel, Trend Following (Updated Edition): Learn to Make Millions in Up or Down Markets, Ft Press, 2009.
  • [4] S. Nison, Japanese Candlestick Charting Techniques: A Contemporary Guide to the Ancient Investment Techniques of the Far East, Prentice Hall Press, 2001.